Gegenüberstehend. Was vorbei zieht ist das Leben. Still und leise. Aber doch rasant.

„Spiegel, Spiegel, an der Wand,
schau siehst du das hier ist meine Hand.
Spiegel, Spiegel, komm´ doch hervor,
durch dein großes Märchentor.
Guck, hier meine Linie des Lebens,
oder ist das alles vergebens!?“

„Spieglein, Spieglein, an der Wand!“, säuselst du ruhig lallend, blickst belustigt in den Spiegel, doch halt. Ernst bleiben. Nochmal.
Du räusperst dich: „Spiegel, Spiegel an der Wand! Wer sag´ mir, ist die Älteste in diesem Land!?“ Erwartungsvoll und sehr amüsiert blickst du in den kreisrunden Spiegel, aus derer dich dein eigen Ebenbild anschmunzelt. Deine Augenbrauen ziehen sich lachend nach oben, denn du weißt was der Herr Spiegel antworten wird.
Du schnappst dir dein Sektglas auf der Ablage und prostest dir zu. „Auf dich!“
Plötzlich erscheint sie, die Fresse. Genervt verzieht sich der Mund:

„Junge Frau, was laberst du!? Lass mich doch einfach in Ruh´. Du weißt genau du bist es nicht. Schau doch in dein Zart-gesicht. Keine Falten um den Mund, auch der Hintern ist nicht wund. Du bist knackig frisch und heiter, auch mit 29 geht das Leben weiter. Geh´ los und kauf dir Zigaretten, ich möcht´ mein Mundwerk drauf verwetten: Ausweis bitte zeig ihn mir, sonst gibts keine Zigaretten hier. Bleib mal eben kurz hier steh´n, ich will nur schnell den Ausweis sehn. Fröhlich kramst du ihn heraus, und sagst dann noch: Aus die Maus. Garstig lächelnd freust du dich, auf des Verkäufers kack Gesicht. 29 Jahr´ und keine Falten, hast dich wunderbar gehalten. Also komm´ lass mich in Ruh´, mach´ die Tür bitte von draußen zu. Ich bin müde muss jetzt schlafen, wir uns zum letzten Mal hier trafen. Tschüß mit üß und Tschau mit au, sonst werd ich gleich noch zur Sau.“

Wie ist der denn drauf!? Zurück bleibt dein verdutztes und doch zufrieden grinsendes Gesicht. Du schlurfst zurück ins Wohnzimmer. Es ist zehn Minuten vor Mitternacht, dann neigt sich der gehypte Tag dem Ende zu. Du machst dir eine Kerze an, so wie man das des Nachts nun mal macht. Die Flamme spiegelt sich in deinen Augen wider. Du fasst die Worte des Spiegels für dich zusammen, während der Sekt in deinem Körper sich mit deiner Blutbahn vermischt. Neunundzwanzig. Aussehen wie achtzehn. Single. Katerlos. Du sinnierst und blickst zurück auf die Zeit im Leben, die bereits vergangen. Höhen und Tiefen. Das letzte Jahr eines was du am Liebsten streichen würdest. Was wohl das neue Lebensjahr mit sich bringt? Einen Mann bisher nicht. In deinem Bett liegt keiner. Auch nicht für nur diese Nacht. Du hast Ziele, auf die du hinarbeitest, nicht konsequent genug, denn da sind Zweifel dass das was du machst nicht gut genug ist. Für dich? Oder die Anderen? Du meinst, dass das, was du zu Papier bringst einfach nicht ausreicht, Schriftsteller, pah, jeder Arsch kann schreiben. Jeder Depp kann Charaktere erstellen. Bei dir hapert es allein schon bei dem Aussehen. Dabei gibt es Milliarden, Trilliarden verschiedene Menschen auf der Welt, einer anders wie der Andere. Locken. Glatze. Walle Walle Haar. Es gibt Psychos, Spinner und die Normalos, die glauben dass sie es sind. So wie du. Aber einer spinnt immer. Auch du. Was dir fehlt ist die zündende Idee, deine Projekte sind nicht ausgereift genug, du stoppst weil du meinst das alles ist Blödsinn. Verlierst den Faden der mal rot war und mittlerweile schwarz ist und abfackelt, denn er hängt grad in deiner entzündeten Kerze. Keine Ahnung ob du es jemals schaffen wirst etwas zu vollbringen. Zeilen die im Gedächtnis bleiben. Worte die berühren. Texte die fesseln und ein Buch was bleibt, auch wenn du gehst. Ein Werk was du geschaffen hast, an dich erinnern wird, und ein Werk was am Leben bleibt, auch wenn deines vergeht. Still und leise. Aber doch unaufhaltsam zieht es an dir vorüber.

©Netti

12 Gedanken zu “Gegenüberstehend. Was vorbei zieht ist das Leben. Still und leise. Aber doch rasant.

  1. Netti, mach Dich nicht klein! Allein der Spiegel ist für mich so lebendig beschrieben. Wie aus nem Fantasy-Zeichentrickfilm. Ich hab die Fratze in Gedanken absolut vor mir. Du schreibst genial und das weißt Du auch. Und auch der Mann der Dein Bett füllt wird kommen. ganz sicher. Kopf hoch, Brust raus und kämpfen! Du wirst alle Deine Ziele erreichen. Ganz sicher!!! Glaub nur an Dich!

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    1. Danke! Du Guter! Klein machen nicht unbedingt. Es sind Zweifel die man hegt ganz automatisch. Hat man doch keinerlei Zustimmung. Ob das was man macht überhaupt nur ansatzweise lesenswert ist…, ich denk das ist ein großer Unterschied, ob man nur Blog schreibt, oder ein ganzes Buch schreiben will (man muss sooo viel plotten und alles, wirklich alles muss zusammen hängend Sinn ergeben..) Aber großen dank für deinen Zuspruch. Das gibt Durchhaltevermögen.🙂💐

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