Blick nach vorn, und nicht zurück.

Du musst aufhören dich dem Sog deiner Vergangenheit zu nähern. Halt dich fern. Schließe die Truhe deiner Zeit, die du nicht mehr ändern kannst. Verschließe auch das Schloss, welches den Inhalt unberührt macht. Und dann rühr sie nie wieder an. Lass Vernunft darüber wachsen. Lass den Fotografen Fotografen sein und nimm Abstand. Er tut dir nicht gut und wird dich auf Dauer ruinieren. Schließe ab. Du hast Träume. Leb sie auch. Denn du weißt, dass du das kannst. Konzentrier dich auf die Dinge im Leben, die dir wirklich wichtig sind, und auf die Menschen, die dich zu würdigen wissen. Gib dich nicht auf, wegen der albernen Männer, sie sind es nicht wert.

Momentan arbeitest du an einem Projekt. Ein Schreibprojekt. Damit solltest du dich befassen, mit dem was du liebst und nicht mit dem was dich hindert. Am Leben. Das Projekt wird ein kleines Büchlein sein, mit nur wenigen Seiten. Es nennt sich textgold über den Oettinger Verlag. Du willst versuchen dein Manuskript, wenn es denn fertig ist, da einzureichen. Vielleicht lässt sich ja damit arbeiten.

Hier eine kleine Leseprobe, beginnend am Anfang.

 

Manchmal passieren Dinge im Leben, die man eigentlich nicht möchte.
-Und trotzdem sind sie verantwortlich für ihr Tun.
Mara, Lotta, Tessa und Ben.

Fehlende Verantwortung. Ein Augenblick, der alles zerstört.

 

MARA

Natürlich hattest du keine Ahnung, wie alles weiter gehen würde. Wie sehr anders es weiter gehen würde. Für dich. Du versuchst zu verdrengen, was offensichtlich ist, die Ahnung, die in dir wächst, alles zu verlieren, was dir lieb ist. Dabei hast du ganz und gar nichts Schlimmes getan. Nur auf dein Herz hast du gehört, was zu dir sprach, hoffnungsvoll, lieblich, und zart. Es klopfte sacht hin und her und her und hin, wohlwissend, dass das der Anfang ist von etwas, was du einfach nicht benennen kannst. Noch nicht, denn dieses Gefühl ist dir neu, du hast es noch nie zuvor gespürt. Ein tolles Gefühl! Wie als würde ein Brausebonbon explodieren und sich in deinem gesamten Körper verteilen. Du möchtest doch einfach nur dazu gehören. Zu ihm. Nur deswegen hast du dich darauf eingelassen, wer konnte denn ahnen, dass das euer aller Leben zerstören würde?

Dein Kopf nickt wippend im Takt. Auf und Ab. Der Beat dröhnt aus dem Bass, so dass der Boden wackelt. Zumindest bildest du dir das ein. Du genießt das. Endlich fühlst du dich mal wieder frei. Und lebendig. Obwohl du eigentlich nicht hier sein darfst, denn deine Eltern, die wissen davon nichts, dass du dich auf einer Tanzfläche der Disco im „RiZz“ befindest. Sie sprachen ein Verbot aus, aber das hätten sie nicht tun dürfen, denn nun, nun erst Recht. Also hast du dich dem widersetzt. Denn du, du wolltest etwas anderes. Hier sein. Mit den Anderen. Denn die dürfen ja auch. Nur du wieder nicht. Wieder du. Die Anderen sind verstreut um dich herum. Amy. Ben. Und Tessa. Du kannst sie sehen, die schattigen Gestalten, welche sich schemenhaft bewegen, im flackernden Licht, zu dem Sound, der aus den Lautsprechern tönt. Es ist spät, aber niemand kontrolliert, niemand schaut auf die Uhr, niemand weiß, dass ihr hier seid. Es interessiert keinen. Ihr seht alle sehr erwachsen aus für euer Alter. Erwachsen seid ihr ja sowieso beinahe, es spielt also keine Rolle, wo ihr seid und wie lange. Ben ist es schon, er ist schon groß und mit seinen 19 Jahren, zwei Jahre älter als du. Er kann also aufpassen. Auf dich. Du legst deinen Kopf in den Nacken und kicherst vor dich hin. Du trinkst aus der Bierflasche, welche du von Ben genommen hast. Der merkt sowieso nichts mehr. Die beiden Mädels tanzen lasziv, miteinander und du wunderst dich kurz. „Hey Puppe“, sagt Ben. Und schmiegt sich von hinten an dich. Dein Herz hüpft freudig in deiner Brust. Er greift mit seiner Hand unter deinen schwarzen Lederrock, und eine Welle der Erregung durchfährt dich. Du stöhnst leise auf und hauchst: „Nicht Ben, nicht hier!“
„Ach komm´Mara, mach dich locker!“ Er knabbert an deinem Ohr herum, seine Hände spielen in deinem blonden, lockigen Haar. Zögernd schiebst du ihn von dir, um dem Gesagten Ausdruck zu verleihen. In Ben seinen dunklen, fast schwarzen Augen flackert ein bösartiger Glanz. Du möchtest ihn jetzt nicht aufregen, nicht hier. Nicht wenn so viele Menschen um dich herum sind. Also versuchst du ihn zu beruhigen, indem du ihm schnell einen Kuss auf den Mund drückst. Das scheint ihn zu besänftigen und er erwidert ihn. Fordernd und dringlich, lechzend nach mehr. Apprupt löst er seine Lippen von den Deinen und plötzlich weißt du nicht wo oben ist, wo unten. Dein Herz knallt drohend gegen deine Rippen. Er greift in deinen Nacken, zieht dich an sich. Ganz, ganz nah. Sein Mund befindet sich nun an deinem Ohr, stöhnend atmet er und sagt: „Du, ich hab da was für dich. Komm´!“ Er zieht dich an der Hand von der Tanzfläche weg um keine Aufmerksamkeit zu erregen, denn das will er nicht. Du bist aufgeregt und wunderst dich was er von dir wollen sollte, was er hat für dich. Ob er mit dir…? Beinahe lachst du hysterisch auf. Ach was, sicher nicht. Sicher nicht hier. Obwohl du dir nichts sehnlicher wünschst, als eins zu sein mit ihm, doch er hat Augen nicht nur für dich, sondern auch für die Anderen. Amy. Und Tessa. Auch für die. Ihr kennt euch schon seit zwei Jahren, habt euch alle zusammen bei einer Privatparty kennengelernt und seitdem seid ihr ziemlich gute Freunde. Dass gute Freunde manchmal rumküssen kommt dir nicht falsch vor, das dachtest du zumindest immer. Du magst ihn. Ben ist alles für dich. Du hast ihn beim Küssen kennengelernt. Wahrheit oder Pflicht hieß es plötzlich und du wolltest einfach nicht so sein. „Pflicht!“ Deine Pflicht war es Ben zu küssen. Und du tatest nichts lieber als das. Leider hat er noch viele Andere küssen müssen. Und wollen, denn als der Alkoholpegel stieg, stieg auch seine Kusslaune. Er küsste neben dir auch noch Amy und Tessa. Natürlich konntest du dir nichts vorwerfen. Denn du warst keinen Dreck besser. Auch du küsstest. Amy und Tessa. Weil du musstest. Es war deine Pflicht.
Ben reißt dich aus deinen Gedanken, als ihr in einer dunklen Ecke ankommt und er dich an einen Balken drengt. Sanft, aber doch bestimmend. Er blickt dich an, greift in seine Hosentaschen und schaut über seine Schulter, rechts und links, ob ihn auch ja keiner beobachtet. Aber nein. Keiner schaut.
Auf seiner leicht geöffneten Hand liegt eine Pille, rosarot. Darauf zu sehen ist ein Triple Five Symbol.

 

©Netti

 

 

 

16 Gedanken zu “Blick nach vorn, und nicht zurück.

  1. Auch wenn man es sich jeden Tag wieder und wieder sagen muss: zurückschauen bringt einen um, nur der Blick nach vorne hilft und du hast dafür ehrlich schöne Worte gefunden. Danke!

    Die Geschichte gefällt mir auch, super Ende! 😊

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